C. Eigler im Jahr 2009
Die Figur des Inselwächters geht auf die Belagerung der Schweden im 30 jährigen Krieg zurück.
1643 standen die Schweden vor Lindau und wollten die freie Reichsstadt einnehmen, doch die kaiserlichen Truppen unter dem Grafen Maximilian von Waldburg-Wolfegg vereitelten dies.
Während des folgenden Jahres der Belagerung wurde eine Schutzmacht von den Lindauer Bürgern aufgestellt, die sicherstellen sollten, dass sich nicht Spione und Saboteure bei Nacht und Nebel in die Stadt schlichen.
Diese Gruppe lebte der Sage nach bis zu diesem Tag in den Kellern und Gängen unter den Salz- und Kornspeichern der Inselstadt.
Sie waren groß von Wuchs und ungestüm in Ihrer Art, doch Ihre gefährlichste Eigenschaft war, dass Sie, nicht zuletzt bedingt durch Ihre frühere Tätigkeit in den Kornspeichern, bei der Sie Waren in die oberen Stockwerke der Zunfthäuser hievten, nun alles und jeden versuchten aufzuhängen.
Gemeinsam hoben Sie dann den Unglücklichen auf Ihre Schultern, legten eine Schlinge um Arme, Beine oder Hals und zogen Ihn nach oben. Unter den begeisterten rufen der Umstehenden „hängt Ihn— hängt Ihn höher“.
Dies waren die Inselwächter und Sie stellten sicher, dass in den folgenden Jahren kein Feind, egal ob Schwede oder nicht, in die Stadt eindringen konnte ohne sich der Gefahr auszusetzen des Nachts aufgegriffen und gehängt zu werden.
Bald nach dem Krieg wuchs bei den Lindauer Kaufleuten die Sorge darüber, dass die Inselwächter nun unter Umständen auch den einen oder anderen Gast der Stadt irrtümlicherweise hängen könnten.
Nach einer kurzen Abstimmung wurde einstimmig festgelegt, dass die Inselwächter wieder in die Dunkelheit der Keller und Gänge der Inselstadt verbracht werden sollten.
Unter dem Vorwand eines festlichen Gelages wurden die Inselwächter am 11. November im Jahr des Herrn 1659 in den festlich geschmückten Kellersaal des westlichen Verteidigungsturmes (Pulverturm) geführt.
Als die Türen von außen geschlossen und verriegelt wurden, wurde das Schicksal der einstmals hoch geschätzten Inselwächter besiegelt.
Der Keller wurde geflutet und alle darin Eingeschlossenen kamen in dem kalten Bodenseewasser ums Leben, doch bevor der letzte Wächter ertrank, stieß er einen Fluch aus und legte ein Gelübde ab.
„Wenn je sich einer wird noch Mühen,
für Glanz und Ehr der Vaterstadt,
zu neuer Höh will dieser führen,
dem helfen wir mit aller Kraft.“
Doch 350 Jahre gingen ins Land und die Inselwächter gerieten in Vergessenheit, zugedeckt vom Mantel der Zeit. Aber heute genau 350 Jahre nach Ihrem plötzlichen Verschwinden, kommen Sie wieder zurück… Sie sind wieder da… Sie suchen dich… Wach auf …. Inselwächter
Der Regen peitscht durch die leeren Gassen der Inselstadt und im Licht einer Kerze schreibt, ein junger Mann diese Zeilen, während der Wind gegen die Scheiben drückt und die Nacht immer näher an die Häuser heran zu rücken scheint….
Lindau am 10. November im Jahr des Herrn 1659
Geliebte Grethe,
voll Furcht schreibe ich diese Zeilen, in der Hoffnung, dass sie dich nie erreichen mögen.
Seit meinem letzten Brief sind nun fast 10 Tage vergangen, Tage in denen ich die beschwerliche Reise von Augsburg nach Lindau im Bodensee unternommen habe.
Wie du weißt sagte ich dir bei meiner Abreise, dass ich ins Österreichische wolle, doch das ist nicht die volle Wahrheit. Ich habe vor 3 Monaten einen Brief erhalten, in dem mich ein alter Freund von Vater, um Hilfe bat.
So mache ich nun hier in Lindau Station.
Zwar wusste ich bereits aus dem Brief, was hier vorzugehen scheint, doch was ich hier erlebt habe übertrifft all meine Befürchtungen und lässt mich erschauern.
Als vor mehr als 10 Jahren, noch während des Krieges, die Schweden versuchten die Inselstadt zu erobern und mit allerlei List immer wieder in die Stadt dringen wollten, beschlossen die Kaufleute der Stadt, sich selbst zu helfen und stellten Wächter auf, welche die Insel schützen sollten.
Die Leute erzählen von Spionen und Saboteuren die des Nachts übersetzen, brandschatzen und morden.
Doch dies nahmen die Lindauer nicht hin. Sie gaben den Inselwächtern den Auftrag und die Erlaubnis in der Nacht durch die Gassen zu streifen, um Fremde zu kontrollieren. Und sollte es sich um einen Spion oder Saboteur handeln, sofort zu richten.
Die Inselwächter trugen alle dasselbe Gewand, eine Bundhose und einen Kutschermantel dessen Kapuze Sie sich weit ins Gesicht zogen, um es Anderen unmöglich zu machen ihre Augen zu sehen.
Doch diese Kreaturen gerieten außer Kontrolle. Sie unterschieden nicht mehr zwischen Freund und Feind. Sie wollten nicht verstehen, dass der Krieg schon lange Jahre hinter ihnen lag.
Sie sind noch da, sie hängen Menschen wahllos. Bürger, Reisende, Kaufleute, im Glauben es handle sich immer noch um Eindringlinge und Spione.
Bald könnte man meinen das Tor zur Hölle wäre aufgestoßen worden und die Kreaturen des Teufels kommen hier ans Licht.
Deshalb bin ich hier.
Es tut mir leid, dass ich es dir nicht schon bei meiner Abreise sagen konnte, aber es hängt zu viel davon ab.
Ich gab Valentin mein Wort! Ich darf nicht fehlen.
Ich dränge die Höllenbrut zurück, ich bin deren Richter und Henker in einer Person.
So lege ich mein Schicksal, in die Hand Gottes. Möge er mich einst nicht danach richten was ich tat, sondern was ich zu verhindern suchte.
Sollte dieser Brief Dich erreichen, so gab es keine andere Möglichkeit, als mit den Inselwächtern in den eisigen Fluten zu versinken.
Trauere nicht…….
Im Herrn, geliebte Schwester.
Dein
Joannis Bodler