Narren befreien Maske und Häs vom Staub

Lindauer Zeitung 05.01.2012 | Von Michael Scheyer

Die schwäbisch-alemannische Fasnacht beginnt mit dem Häsabstauben rund um Dreikönig

LINDAU – Der Winter trägt seinen Namen in diesem Jahr zu unrecht: Selbst in schwäbischen Höhenlagen mangelt es an Schnee. Ob daran der Klimawandel zu erkennen ist? Möglich ist es. Aber das sollen bitte die Klimaforscher unter sich klären. Eine Jahreszeit ist derweil mit Sicherheit von Menschenhand gemacht: die fünfte Jahreszeit, die leichter vorherzusagen ist als das Wetter. Morgen, Freitag, ist Dreikönig, der offizielle Start der schwäbisch-alemannischen Fasnacht.
Narren in und um Lindau herum kramen derzeit Häs und Maske aus Kellerschränken und Dachbodentruhen, um sie für die kommende Narretei herzurichten. Das Häs ist das Narrenkleid. Nein, es ist kein Kostüm. Wer das meint, bestellt sicher auch Kölsch in Düsseldorf und ruft Helau dabei. Deshalb für alle Ungeübten noch einmal: Das Häs ist das Narrenkleid. An Dreikönig treffen sich die Narren dann zum Häsabstauben. Was es damit auf sich hat, ist leicht erklärt: Weil das Häs nur während der Narretei getragen werden darf, fängt es in der übrigen Zeit des Jahres den Staub des Alltags. Von diesem wird es beim Häsabstauben befreit, zumindest symbolisch.
Denn die meisten Narren achten gut auf ihr Häs und kommen zum Abstauben bereits geschniegelt und gestriegelt. Ein Häs ist teuer (Neue kosten im Schnitt rund 400 Euro) und befindet sich in der Regel in Privatbesitz. Schon allein deshalb ist das Häs fast immer makellos. Auf ein sauberes Erscheinungsbild legen die Zünfte und Vereine außerdem großen Wert.
Wann genau das Häsabstauben stattfindet und was dabei stattfindet, ist Sache der Zunft und deren Mitglieder. Deshalb unterscheidet sich das Abstauben von Zunft zu Zunft. Allen Narren gemein ist die Vorfreude: Offiziell dürfen sie das Häs erst wieder tragen, wenn die Zunft die Narretei ausruft. Normalerweise macht das der Büttel beim Häsabstauben. Natürlich kontrollieren dann alle Zünfte Häs und Maske. „Ein grüner Moschtkopf mit roten Turnschuhen, das geht natürlich nicht“, erklärt Herbert Baldauf, Narrenvater der Narrenzunft Lindau. Ist das Gewand in Ordnung, erhalten die Hästräger den für Umzüge notwendigen Laufbändel. Er gibt Auskunft über die Identität des Trägers, denn Narren mögen sich zur Fasnacht zwar vermummen, das macht sie aber keineswegs anonym.
Noch keiner hat Fahne gesehen Alle Zünfte und Vereine nutzen die Gelegenheit außerdem, um ihre Mitglieder über alle Termine und Neuigkeiten der Saison zu informieren. Eine Premiere haben heuer zum Beispiel die Lindauer Inselwächter: Bei ihrem Häsabstauben enthüllen sie die neue Fahne, die über die Fasnachtszeit auf der Insel hängen wird. Die Mitglieder haben die Fahne bisher noch nicht gesehen. Bei der Gelegenheit führen die Zünfte auch neue Mitglieder ein. Aber wie, das unterscheidet sich und hängt von der Tradition und von der jeweiligen Figur ab. Mit passenden Zeremonien nehmen die Zünfte ihre Neulinge dann auf: Die Wasserburger Feuerhexen sengen zum Beispiel in einer Feuertaufe die Haare ihrer Aspiranten an. „Nur ein klein bisschen natürlich“, erklärt Andrea Strohmayer, Vorsitzende der Feuerhexen. Es ginge ja schließlich nur um den Spaß. Eine Frage der Tradition Früher riefen in Lindau alle Zünfte und Vereine die Narretei am 11.11. aus, so wie es im Karneval üblich ist.
Doch auch hier zogen die Publikationen zur schwäbisch-alemannischen Fasnacht des Freiburger Völkerkundeprofessors Werner Mezger Anfang der 90er Jahre nicht spurlos vorüber: Seit 1994 beginnt die Fasnachtszeit bei den meisten Zünften in Lindau und Umgebung erst im Januar, rund um Dreikönig. Wie das gallische Dorf im Reiche Cäsars will sich der Weißensberger Narrenverein dem „römisch-alemannischen“ Druck jedoch nicht beugen: Noch immer ruft er die Narretei am 11.11. aus. „Weil das unsere uralte Tradition ausmacht“, sagt Roland Flax, Ehrenpräsident des Weißensberger Narrenvereins. Der Narrenverein Weißensberg erblickte erst 1972 das Licht der närrischen Welt.
Damals hätten die Gründer die Traditionen von der Lindauer Narrenzunft „abgestaubt“, erklärt Flax. Und weil die mit dem 11.11. angefangen hätten, sei das eben auch heute noch so. „Wir machen das mehr nach Gefühl“, sagt der Weißensberger. Auch die Narren der Lindauer Zunft müssen sich in diesem Jahr noch ein wenig gedulden. Immer am ersten Freitag nach Dreikönig rufen sie die Narretei aus. Da der 6. Januar am morgigen Freitag ist, müssen die Hästräger sich noch eine ganze Woche gedulden, bis sie ihr Häs wieder offiziell tragen dürfen. Wenigstens findet ihr diesjähriges Häsabstauben an einem närrischen Datum statt: an einem Freitag, den 13.